Warum ich kein Business mehr ohne Haltung will
- Juliane Götze
- 24. Mai
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Juni
Es gab eine Zeit, in der ich alles gegeben habe - für meinen Job, mein Team, das Unternehmen. Ich war loyal, leistungsbereit und oft bereit, meine eigenen Bedürfnisse und sogar die meiner Familie hintanzustellen. Ich glaubte an das gemeinsame Ziel, an Miteinander, an Verantwortung.
Doch als es wirklich ernst wurde, war da - nichts.
Kein Halt, kein Schutz, kein Zeichen von Loyalität. Stattdessen: Schweigen. Wegschauen. Vertuschen.

Ich war eine hochengagierte Mitarbeiterin in einem Unternehmen, das sich mit dem Slogan „People make the difference“ schmückt. Und genau dort wurde ich - als Mensch - im entscheidenden Moment nicht gesehen. Nicht geschützt. Nicht gehört.
Was ich erlebt habe, war mehr als ein persönlicher Tiefpunkt. Es war ein strukturelles Versagen.
Kolleg:innen, die sich wegducken. Vorgesetzte, die plötzlich nichts mehr wissen.
Ein Vorstand, der vordergründig Mitgefühl zeigt, aber hinter den Kulissen um Image und Deutungshoheit kämpft.
Ich habe in dieser Zeit mehr gelernt als in jedem Leadership-Programm:
wie toxische Abhängigkeiten entstehen - und gedeckt werden.
wie Compliance auf dem Papier funktioniert - aber nicht im Ernstfall.
wie Vertrauen zerstört wird - und wie schnell man als „Problem“ gilt, wenn man unbequeme Wahrheiten ausspricht.
Haltung ist kein Extra – sie ist der Prüfstein
Diese Erfahrungen haben mich verändert. Ich kann und will nicht mehr zurück in ein System, das Leistung über Menschlichkeit stellt und Loyalität nur einseitig lebt.
Ich stehe an einem Wendepunkt. Noch bin ich nicht da, wo ich einmal hinwill - aber ich bin auf dem Weg. Ich bilde mich weiter. Ich frage, lerne, recherchiere, schreibe. Ich versuche, das Erlebte einzuordnen - und es positiv umzuwandeln. Nicht, um es zu vergessen. Sondern um daraus etwas zu machen, das anderen helfen kann.
Denn ich glaube: Auch Brüche können kraftvolle Ausgangspunkte sein.
Haltung im Business heißt für mich nicht, perfekt zu sein. Sondern präsent.
Inmitten von Druck, Erwartungen und Machtstrukturen bei sich zu bleiben, das habe ich von einem Management, einer Unternehmensführung erwartet - doch es scheint nicht so einfach zu sein. Zu wissen, wofür man steht - und was man nicht mehr mitträgt. Eine solche Integrität zeigt sich nicht nur in großen Entscheidungen, sondern vor allem im Kleinen: In der Art, wie wir zuhören. Wie wir führen. Wie wir mit Zweifeln umgehen. Und wie wir Verantwortung übernehmen - auch dann, wenn niemand zusieht.
Haltung ist die Voraussetzung für echtes Vertrauen. Und genau deshalb möchte ich kein Business mehr machen, das auf Angst, Abhängigkeit oder Schweigen basiert. Sondern auf Klarheit, Mut - und Menschlichkeit.
Für Wahrheit, Wandel und Wirksamkeit
Ich habe mein Vertrauen in Systeme verloren – aber nicht in Haltung.
Nicht in Menschen, die bereit sind, hinzusehen. Nicht in Unternehmen, die verstehen wollen. Nicht in Frauen, die ihren Weg finden – trotz aller Widerstände.
Ob ich all das eines Tages beruflich wieder weitergeben werde, weiß ich noch nicht. Aber ich weiß: Ich werde nicht schweigen. Ich werde meine Stimme nutzen – um Fragen zu stellen, die unbequem sind. Und um Räume zu schaffen, in denen Verletzlichkeit kein Makel ist, sondern ein Beweis für Mut.
Denn ich war mittendrin. Und ich habe mich entschieden: Ich gehe. Aber nicht leise.
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